Schließen wir einmal kurz die Augen und stellen uns ein Science-Fiction-Bild einer utopischen Zukunft vor, sagen wir, eine Stadtansicht aus der Vogelperspektive. Also kein Untergangsszenario, die tolle Zukunft!
Na? Wer von euch hat nun Glasröhren, selbstfahrende Autos, fliegende Taxis oder ähnliches gesehen? Vermutlich nicht alle, aber sicher sehr viele. Klar, das sind die klassischen Motive aus der Science Fiction. Diese Bilder wurden in den 20er–40er Jahren des letzten Jahrhunderts sehr beliebt durch amerikanische Magazine, wie zum Beispiel Amazing Stories des Verlegers Hugo Gernsback. Diese bekannten und wunderschönen Illustrationen haben über Jahrzehnte unser Bild der Zukunft geprägt.
Fliegende Autos, Ressourcen ohne Ende
Viele Visionen von früher sind inzwischen Realität oder existierende Prototypen:
- ✔ iPads & Videotelefonie
- ✔ Billigflüge mit Internet
- ✔ Flugtaxis & autonome Lieferdrohnen
- ✔ Mixed-Reality-, bzw. VR-Brillen
- ✔ Navigationsgeräte
- ✔ Magische Computer aka. „Künstliche Intelligenz“
- ✔ Raumstationen
- ✔ Hyperloop
- ✔ Neuralink
- u.v.m.
Die Zukunft des letzten Jahrhunderts ist heute unsere Gegenwart – mehr oder weniger.
Ist unsere Zukunft 100 Jahre alt?
Dass diese technoide Zukunft gigantische Ressourcen und Energie benötigt, war absehbar und wurde ignoriert oder mit fantastischen Erfindungen gelöst, wie tragbaren Kernkraftwerken.
Realisiert haben wir diese Zukunftsbilder mit fossiler Verschwendung. Die Schäden dieser fossilen Visionen kann niemand mehr ignorieren. 30°C im März, anyone?
Seit einigen Jahren stellen sich immer mehr Menschen die Frage, wie heute unsere Bilder einer lebenswerten Zukunft aussehen? Fällt uns nichts besseres ein, als die Visionen von damals? Haben wir eine bildliche Vorstellung einer Zukunft, die nicht in einem totalen Klimakollaps mit sozialer Ungleichheit, Artensterben und Verwüstung endet?
- – Welche Visionen einer lebenswerten Zukunft begeistern uns heute?
- – Was lässt uns mit Tatendrang und Kreativität in die kommenden Jahre blicken?
- – Mit welchen Bildern motivieren wir zu einer ökosozialen Transformation?
Inzwischen haben Gestalter:innen unterschiedliche, sehr inspirierende Projekte in die Welt gebracht, die Mut machen, für die Zukunft zu gestalten. Zum Beispiel dieses tolle Buchprojekt, dass ich gern beim Crowdfunding unterstützt habe:
Zukunftsbilder 2045 – Eine Reise in die Welt von morgen
Platz für Menschen, Tiere und Pflanzen, sichere Verkehrswege für Groß und Klein ohne gefährliche Kraftwagen, Energie ohne Zeug zu verbrennen, Ressourcen die wirklich im Kreislauf funktionieren und Unternehmen, die die Gesellschaft stärken und fördern.
In wunderbaren Gegenüberstellungen zeigen doppelseitige Bilder die Welt von heute und eine Vision, wie die Ansicht im Jahr 2045 aussieht. Historische Gebäude bleiben erhalten, andere werden modernisiert. Fassaden und Dachterrassen werden begrünt, Verbindungswege zwischen Gebäuden geschaffen, Regenwasser wird gesammelt (#Schwammstadt), nachhaltige Energie erzeugt, Verkehrssysteme transformiert … Es entstehen Wimmelbilder, in die wir uns vertiefen können, wie früher bei Ali Mitgutsch oder unsere Kinder bei Susanne Rotraut-Berner.
Eine postfossile Welt zum Träumen!
Mit der fantastischen Methode der Rückschau aus der Zukunft in die Gegenwart beschäftigen sich die Autor:innen mit einer Vision, in der wir es geschafft haben, unsere Städte in pulsierende Lebensorte zu verwandeln.
In den Texten begleiten wir die Reporterin Liliana Morgentau im Jahr 2045 auf ihrer Reise durch Deutschland. Sie beschreibt, wie der Wandel konkret umgesetzt wurde. Schnell wird klar: Bei aller Utopie handelt es sich nicht um eine geradlinige Erfolgsgeschichte, Widerstände und Rückschläge werden angesprochen. Das ermöglicht uns heute, den Blick auf Veränderung anzunehmen.
Die Autor:innen wollen viel, sie haben eine Mission. Das merkt man dem Buch auch an. Aber das nehme ich nicht übel, die Botschaft ist klar: Veränderung wird möglich, wenn wir viele kleine Entscheidungen in die richtige Richtung treffen.
Auf der Website zum Buch finden sich viele weitere liebevoll und detailverliebt gestaltete Visuals und Texte. Die utopische Toolbox stellt uns eine Reihe von Methoden zur Verfügung, mit denen wir eigene Utopien sowie Utopien von Gruppen und Organisationen entwickeln können.
Wir brauchen eine Vorstellung davon, wie schön eine nachhaltige Gesellschaft sein kann – genau die findet man in diesem Buch. Lassen Sie sich entführen!
Maja Göpel
Dieses Buch zeigt deutlich: Es geht immer um eine mögliche Zukunft, nicht die vorbestimmte.
Eine Aufgabe für Design: Zukunftsbilder gestalten
Zukunftsbilder wollen gestaltet werden von Menschen die bereit sind, außerhalb der Zukunft von gestern zu denken.
Simon Wehr
Als Designer:innen hinterfragen wir Zustände und Annahmen, denken in die Zukunft und verbessern.
Dinge ändern sich ja nicht von alleine, wir ändern sie. Wir werden genau dafür beauftragt, Änderungen zu gestalten.
Im nachhaltigen Design meinen wir damit nicht (nur) Grafik oder Layout, sondern Bilder einer Zukunft – vieler möglicher Zukünfte.
Also: Machen wir uns veränderungsfreudig auf den Weg, damit die Utopie von heute die Realität von morgen wird!
Welche Entscheidungen triffst du?
- Dieser Text erschien zuerst im Weblog von Wehr & Weissweiler
- Linktipp: Eine Sammlung der Cover von Amazing Stories
- Bildnachweise Collage:
- Amazing Stories, January 1930 | Wesso (Hans Waldemar Wessolowski) / Experimenter Publishing,
Air Wonder Stories, July 1929 | Frank R. Paul,
Air Wonder Stories, September 1929 | Frank R. Paul / Stellar Publications,
Science and Mechanics, August 1950 | Arthur C. Bade, Science and Mechanics Publishing,
alle Bilder Public domain, via Wikimedia Commons
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